Gastautor*: Toni Ritz, Direktor der Fachagentur Educa
Mit KI ist es inzwischen fast wie mit dem Wetter: Sie bietet Stoff für beliebige Diskussionen mit beliebigen Menschen. Und von Wetterprognosen können wir lernen. Von Toni Ritz.
Mit der künstlichen Intelligenz (KI) ist es inzwischen fast wie mit dem Wetter: Sie bietet Stoff für beliebige Diskussionen mit beliebigen Menschen. Kaum jemand ist um eine Meinung, eine eigene Erfahrung oder gar eine eigene Prognose verlegen. Und was an der Grenze zwischen Wetter und Klima oft schwerfällt, gerät auch in KI-Gesprächen gerne durcheinander: Wir neigen dazu, Begriffe zu vermischen, Phänomene übereilt zu verorten und persönliche Empfindungen mit globalen Entwicklungen zu vermengen.
So leidenschaftlich sich also über Algorithmen, ChatGPT und Schneemangel streiten lässt, so emotionsfrei ist der Rohstoff in beiden Themenwelten: Daten. Aus Wetterdaten schaufeln Wettermodelle im Sekundentakt Sonnen- und Wolkensymbole auf unsere Bildschirme. Aus Sprach- oder Bilddaten zaubern Sprach- bzw. Bildmodelle verblüffende Phrasen und Illustrationen zutage. Zum Beispiel zu Berufsoptionen für einen jungen Menschen.
Wetterprognosen seien keine Lernprognosen, mögen Sie nun einwenden, der Vergleich hinke. Zu Wetter- und auch zu Klimadaten bestehe eine in Jahrzehnten gereifte Expertise. Voraussagen zu Hoch- und Tiefdruckzonen, Jetstream und Niederschlagsmengen liessen sich jederzeit mit normierten Daten begründen. Die Leidenschaft in Wettergesprächen sei allein dem Menschen und dessen Interpretationen geschuldet.
Da haken wir ein, genau das ist der Punkt: Auf die Qualität der Daten kommt es an, wenn wir Algorithmen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen trainieren, um zu spezifischen Situationen verlässliche Voraussagen zu erhalten. Und ja, wir alle sind uns bewusst: Der Qualitätsanspruch an Bildungsdaten ist keine Erkenntnis des digitalen Zeitalters. Eine neue Dimension erreicht bloss die Bedeutung dieses Anspruchs. Ist er nicht erfüllt, ist der Schaden wortwörtlich vorprogrammiert.
Wir wissen heute, was eine sorgfältig gestaltete Verbindung von Fachexpertise und maschinellen Prozessen in der Bildung leisten kann. Lernschwierigkeiten, Abwesenheit oder Verhaltensauffälligkeiten sind frühzeitig erkennbar. Die individuelle Entwicklung der Lernenden lässt sich mit gezielten Unterstützungsmassnahmen fördern. Lehrpersonen können die Lernfortschritte individuell verfolgen sowie personalisierte Lernpfade auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten des einzelnen Kindes oder Jugendlichen zuschneiden. Gleiches gilt auf der institutionellen Ebene. Schulleitungen können die Lernprozesse verbessern, Ressourcen effektiver und effizienter einsetzen und letztlich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler insgesamt günstig beeinflussen. Auf der Makroebene helfen Daten, den Bildungsprozess zu überwachen, Lehrmethoden zu bewerten und Lehrpläne anzupassen, um die Bildungsqualität sowie die Beziehungsverhältnisse zwischen Bildungsinstitutionen, Lehrpersonen und Lernenden zu verbessern.
Zurück zum Vergleich mit dem Wetter: Genau so, wie jede Wettervorhersage und jede Einordnung von Klimaphänomenen, muss jede Aussage zu Menschen im Lernprozess und jede Entwicklung von Lernsettings auf einwandfrei geklärten Daten basieren. Sonst drohen irrige Fehlprognosen. Solche mögen im Fall des Wetters ärgerlich sein; im Kontext der Bildung wären sie verheerend.
Darum stellen wir uns mit der Entwicklung einer Datennutzungspolitik der Herausforderung, Qualitätseigenschaften von Daten zu verstehen, die Verlässlichkeit von Datenmodellen zu ergründen und die Nutzung von Daten im Bildungsraum Schweiz zu klären. Was das im Zusammenhang mit KI bedeutet, steht im Fokus der Fachtagung Educa24 am 18. September 2024 in Bern. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme – und auf inspirierende Gespräche, gerne auch übers Wetter.