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kein Titel

Sie schreiben, dass rund 20 % der Schülerinnen und Schüler über alle Schulstufen hinweg in der Schweiz im Unterricht keine digitalen Endgeräte nutzen (Stand 2020). Das erstaunt, wird doch in der Schweiz oft die Praxistauglichkeit des Bildungswesens betont.
Der Wert stammt aus dem Staff Paper «Monitoring der Digitalisierung der Bildung aus Sicht der Schülerinnen und Schüler» der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung SKBF. Die Erhebung zeigt, dass 50–75 % aller Schülerinnen und Schüler die Geräte nicht öfter als einmal die Woche einsetzen. Das heisst, dass man noch nicht generell von einer grossen Nutzungsintensität von digitalen Lehr- und Lernmitteln in den Schulen der Schweiz sprechen kann.

Mir scheint es allerdings gewagt, dieses Ergebnis als fehlende Praxistauglichkeit des Bildungswesens zu deuten. Unter anderem schon deshalb, weil häufige Nutzung und sinnvolle Nutzung nicht zwingend dasselbe sind. Diese Geräte nicht zu nutzen ist sicher besser, als sie in einer Weise einzusetzen, die dem analogen Unterricht unterlegen ist. Viel interessanter wäre daher zu fragen, warum diese Geräte nicht genutzt werden. Und ob es vielleicht Möglichkeiten gäbe, Lehrpersonen dabei zu unterstützen, digitale Endgeräte sinnvoll in ihren Unterricht zu integrieren.

Der Vertiefungsbericht stellt fest, dass es fast unmöglich ist, den Digitalisierungsfortschritt und die Auswirkungen der Digitalisierung in der Schweiz vertieft zu analysieren, weil nur wenige systematische Datenerhebungen gemacht werden. Inwiefern ist das ein Problem? Und mit welchen zusätzlichen Datenerhebungen könnte dieser Missstand behoben werden?
Die fehlenden Daten stellen uns im Grunde vor zwei zentrale Probleme: Zum einen können wir nur sehr begrenzt beschreiben, was im Bildungsraum Schweiz in Bezug auf die Digitalisierung wirklich passiert. Um ein einfaches Beispiel zu geben: Wir haben keine Vorstellung davon, wie die Ausstattung von Primarschulen mit Computern, Laptops oder Tablets aussieht. Wir können daher beispielsweise nicht sagen, ob alle Primarschulkinder ähnliche Bedingungen vorfinden, um erste begleitete Schritte im digitalen Raum machen zu können. 

Zum anderen, und das ist das grössere Problem, können wir so gut wie keine verlässlichen Aussagen dazu machen, wie sich der Gebrauch dieser Technologien auf Lernleistungen, auf nicht-kognitive Fähigkeiten wie Motivation oder auf die Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in der Schweiz auswirkt. Auch wissen wir nicht, ob diese Auswirkungen für alle Schülerinnen und Schüler ähnlich sind oder ob es Gruppen gibt, die allenfalls besser oder schlechter auf den Einsatz dieser Technologien ansprechen. Das heisst, wir können nicht bewerten, was die zunehmende Verbreitung dieser Technologien für Auswirkungen hat und wir sind nicht in der Lage, evidenzbasierte Vorschläge für eine sinnvolle Verbesserung des Einsatzes dieser Technologien zu machen.

Im Bericht haben wir eine Reihe von Möglichkeiten zur Sammlung von Daten aufgeführt, um solchen Fragen ernsthaft nachzugehen. Ich würde es beispielsweise begrüssen, wenn man die Einführung digitaler Technologien so aufgleisen würde, dass eine experimentelle Evaluierung der Einführung möglich wird. Bei einigen Projekten wird das bereits gemacht. Liesse sich das ausweiten, wäre das eine tolle Entwicklung.

Was lässt sich zur Motivation der Schülerinnen und Schüler sagen? Wie viel «Freude» bereitet ihnen die Digitalisierung des Bildungswesens?
Es ist allgemein bekannt, dass der Einsatz digitaler Endgeräte und Lernressourcen zumindest kurzfristig die Lernmotivation, also die Freude am Lernen, steigert. Das gilt als einer der Hauptgründe dafür, dass mit diesen Technologien lernende Schülerinnen und Schüler kurzfristig deutlich grössere Lernzuwächse verzeichnen als jene, die diese Technologien nicht verwenden. Der Grund dafür ist primär, dass es überhaupt eine Änderung im Schulalltag gibt, und das dazu noch mit diesen Gadgets… Das scheint tatsächlich zu begeistern und anzuspornen. Eine andere Frage ist, wie nachhaltig dieser Effekt ist. Und wie der Begriff schon andeutet, werden zumindest die Unterschiede in den Lernleistungen im Laufe der Zeit erheblich kleiner. 

Auch die Ergebnisse der schon erwähnten Studie der SKBF zeigen relativ eindeutig, dass einer grossen Mehrheit der Schülerinnen und Schüler aus der Schweiz das Lernen mit diesen Geräten Spass macht. Allerdings zeigt sich auch, dass gerade diejenigen, welche die Geräte tendenziell häufiger einsetzen, dem Lernen mit diesen Geräten gegenüber deutlich kritischer eingestellt sind. Sie berichten häufiger von Problemen. Zum Beispiel, dass sie schneller abgelenkt sind, wenn sie mit digitalen Geräten lernen.