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- Newsletter 3-2021 / Fokus III
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Die von Ihnen verwendete Literatur zeigt auch, dass digitale Kompetenzen heute oft ausserhalb der Schule erworben werden. Sprich: Wer zu Hause gut am Computer «ausgebildet» wird, nutzt diesen auch in der Schule effizient. Bezüglich der Chancengerechtigkeit ist das eine heikle Entwicklung.
Das ist so. Und es ist auch nicht komplett überraschend, dass das familiäre Umfeld eine wichtige Rolle für den Lernerfolg und den Erwerb von Kompetenzen spielt. Das ist auch für andere, klassisch schulische Kompetenzen wie Mathematik oder Leseverstehen sehr gut dokumentiert. Eltern, die sich für den schulischen Werdegang ihres Kindes interessieren und es in seinem Lernen unterstützen, sind grundsätzlich wichtig für den schulischen Erfolg ihres Kindes.
Was an diesen Ergebnissen eher überrascht: Der Zusammenhang zwischen der schulischen Vermittlung digitaler Kompetenzen und den digitalen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern ist häufig nicht nachweisbar. Zum Beispiel zeigen Ergebnisse der ICILS-Erhebung von 2018, dass Schülerinnen und Schüler, die an ihrer Schule den Umgang mit Fake News gelernt haben, oft nicht besser darin sind, diese zu erkennen, als Schülerinnen und Schüler ohne entsprechende Kenntnisse. Und wenn es um «Computational Thinking» geht, z. B. darum, Probleme so zu strukturieren, dass sie von einem Computer gelöst werden können, schneiden Schülerinnen und Schüler, die behaupten, sie hätten das in der Schule gelernt, tendenziell sogar schlechter ab, als Schülerinnen und Schüler, die behaupten, sie hätten davon in der Schule noch nichts gehört. Woran das konkret liegt, wird aktuell breit diskutiert und ist noch nicht geklärt. Das Ergebnis sollte aber ein klares Warnsignal dafür sein, dass die Vermittlung solcher Fähigkeiten vielleicht komplexer ist, als zunächst angenommen.
Der Lehrplan 21 enthält seit einiger Zeit «Medien und Informatik», in der Romandie wurde kürzlich der Plan d’Études numériques gutgeheissen. Inwieweit machen sich diese Lehrplanvorgaben bereits bemerkbar? Inwieweit stärken sie die Digitalisierungsbemühungen im Bildungswesen?
Das lässt sich aktuell noch nicht beurteilen. Ein Grossteil der im Bericht verwendeten Daten und Informationen stammt aus einer Zeit, in der weder das Modul «Medien und Informatik» noch der Plan d’Études numérique implementiert waren. Es wird spannend zu sehen, ob und wie sich diese beiden Ansätze bemerkbar machen. Wir beobachten, dass es zumindest bis letztes Jahr augenfällige sprachregionale Unterschiede in der Verwendung digitaler Geräte in den Schulen gab. Schülerinnen und Schüler aus der Deutschschweiz nutzen diese Geräte deutlich häufiger im Unterricht als Schülerinnen und Schüler in der lateinischen Schweiz. Warum das so ist, lässt sich nicht abschliessend sagen. Es spricht allerdings nicht viel dafür, dass das ein Ergebnis der Einführung des Lehrplans 21 ist. Wir können diese sprachregionalen Unterschiede auch in der Zeit vor seiner Einführung beobachten.
Der Bericht empfiehlt, insbesondere die digitalen Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler erwerben sollen, genauer zu definieren. Wie könnte ein solches Kompetenzraster aussehen und welcher Prozess kann zu einem solchen führen?
Ein solches Raster definiert potenziell relevante Fähigkeiten, damit Schülerinnen und Schüler am Ende der Schulzeit auf eine Welt vorbereitet sind, in der digitale Technologien eine immer grössere Rolle spielen. Das bedeutet: Schülerinnen und Schüler müssen technische Fähigkeiten besitzen, aber eben auch eine Vorstellung davon haben, welche Konsequenzen der Einsatz von Geräten oder das Bereitstellen und Verwenden von Inhalten hat. Solche Kompetenzraster gibt es in der Zwischenzeit relativ viele. Auch in der Schweiz. Das Modul «Medien und Informatik» des Lehrplans 21 oder das Element «Education numérique» des Plan d’Études numérique bauen zum Beispiel auf Vorstellungen davon auf, was Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf digitale Technologien und Inhalte können und wissen sollten. Und auch in den höheren Schulstufen werden in immer schnellerer Abfolge neue Kompetenzraster entwickelt. Unsere Sorge ist eher, dass die Passung und Vergleichbarkeit zwischen diesen vielen Rastern irgendwann nicht mehr gegeben ist. Dass wir also bei den digitalen Kompetenzen dort ankommen, wo wir vor dem HarmoS‑Konkordat bei den anderen schulischen Kompetenzen standen. Entsprechend wäre hier wohl ein schweizweiter, stufenübergreifender Effort nötig, um zu einem gemeinsamen Verständnis – einem Minimalkonsens – darüber zu kommen, was wir als Gesellschaft glauben, dass unsere Kinder in Bezug auf digitale Technologien können und wissen sollten.
